Verwaltungsstrafen

Wenn dir die Behörden ein Verwaltungsdelikt vorwerfen, werden sie dir einen Strafbescheid zusenden. Dabei handelt es sich um nichts Schlimmes. Du bekommst keine Eintragung im Strafregisterauszug, Vorstrafe oder Sonstiges. Die häufigste Konsequenz ist, dass du eine Geldstrafe bezahlen musst und eine Eintragung im Verwaltungsstrafregister bekommst. Letzteres dient dazu bei zukünftigen Verwaltungsstrafen die Höhe der Strafen festzusetzen – nach fünf Jahren scheinen Straferkenntnisse nicht mehr im Verwaltungsstrafregister auf. Es gibt zwei Sorten von Strafbescheiden, nämlich Strafverfügungen und Straferkenntnisse.

Verwaltungsstrafen werden (fast) immer mittels blauem Rückscheinbrief zugestellt, um sicherzustellen, dass du den Strafbescheid persönlich ausgehändigt bekommst. Wirst du bei der Zustellung nicht persönlich angetroffen, wird der Brief beim Postamt hinterlegt und du wirst mittels Hinterlegungsanzeige (= gelber Zettel) davon verständigt.

Die Strafverfügung ist das Ergebnis eines abgekürzten Verwaltungsstrafverfahrens. Mit diesem Bescheid kann die Behörde eine Geldstrafe bis zu 500 Euro verhängen. In sehr seltenen Fällen kommt es zu Ersatzfreiheitsstrafen, jedoch nur wenn du (einschließlich der Pfändung von Gegenständen) nicht in der Lage bist, die Geldstrafe zu bezahlen. Wenn du eine Strafverfügung erhalten hast, hast du folgende Optionen damit umzugehen:

    1) Geldstrafe bezahlen,
    2) Einspruch erheben,
    3) einen Antrag auf Strafminderung stellen.

Ein Einspruch setzt die Strafverfügung außer Kraft und kann mündlich oder schriftlich bei der Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, erhoben werden. Jedoch muss dies innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Strafverfügung geschehen sein. Wird dem Einspruch nicht stattgegeben, kommen zusätzlich 10% der verhängten Strafe als Verwaltungskosten oben drauf. Wird der Einspruch nicht rechtzeitig erhoben, wird die Strafverfügung rechtskräftig und vollstreckbar.

Sofern das eigene Einkommen niedrig und die Strafe daher unverhältnismäßig hoch ist, kann eine Strafminderung beantragt werden. Diese empfiehlt sich auch deshalb, da sie einen sehr geringen Aufwand darstellt und zusammen mit dem Einspruch gefordert werden kann. Meistens reicht es aus, auf ein niedriges Einkommen zu verweisen – eine detaillierte Darstellung deiner Vermögensverhältnisse ist weder notwendig noch ratsam. Hierfür einfach die Strafverfügung kopieren, die Kopie durchstreichen, „Einspruch und in eventu beantrage ich Strafminderung“ darauf schreiben, sowie unterschreiben und per Einschreiben/Fax an die Behörde zurückschicken. Die Sendebestätigung gut aufheben.

Nachdem du Einspruch erhoben hast leiten die Behörden ein ordentliches Verfahren ein, bei dem du dich rechtfertigen kannst. Hierfür wird dir mitunter eine „Aufforderung zur Rechtfertigung“ zugestellt. Darin wirst du als Beschuldigte*r dazu aufgefordert zum Tatvorwurf Stellung zu nehmen, d.h. deine eigene Version des Vorgangs wird erfragt. Zusammen mit der „Aufforderung zur Rechtfertigung“ wird oft die „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ geschickt. Darin befinden sich normalerweise (neue) Akten(teile) zu denen du Stellung nehmen sollst. Es kann auch sein, dass du eine Ladung zu einer Polizeistation bekommst, um dich dort mündlich zu rechtfertigen. Wenn keine zwangsweise Vorführung angedroht wird, gibt es keine Sanktionen, wenn du nicht hingehst. Wird eine zwangsweise Vorführung angedroht, kann es sein, dass die Polizei zu dir nach Hause fährt, um dich abzuholen, wenn du nicht erscheinst. In jedem Fall hast du die Möglichkeit die Aussage ganz oder teilweise zu verweigern!

Wenn du der Aufforderung zur Rechtfertigung nicht nachkommst, erhältst du ein Straferkenntnis. Dieser Bescheid steht am Ende eines ordentlichen Verwaltungsstrafverfahrens und setzt fest, wie hoch die Strafe ist und enthält die Gründe, warum sie verhängt wurde. Gegen das Straferkenntnis kannst du binnen vier Wochen ab Zustellung, d.h. sobald der gelbe Zettel/Brief im Postkasten liegt, Beschwerde einlegen. Die Beschwerde wird an die Behörde die das Straferkenntnis erlassen hat zurückgeschickt. 

Diese hat nun zwei Monate Zeit um den Bescheid aufzuheben oder zu ändern, andernfalls muss sie die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht weiterleiten.

Wenn du eine Beschwerde einlegst müssen folgende Daten darin enthalten sein: Bezeichnung des angefochtenen Bescheides (Geschäftszahl links oben); Bezeichnung der belangten Behörde (Behörde die Straferkenntnis ausgestellt hat – Briefkopf); Datum der Zustellung des Straferkenntnisses bzw. Datum an dem die Beschwerde abgeschickt wird; dein Begehren (meistens „Aufhebung der Strafe, Einstellung des Verfahrens und in eventu Strafminderung“); Unterschrift und Datum; Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit des Bescheids (= Straferkenntnis) stützt. Bei letzterem gibt es zwei Möglichkeiten:

1.) Sachverhalts-Ebene: d.h. du erklärst, dass du nicht getan hast was dir vorgeworfen wurde. Da du deine Beschwerde an die Polizei zurückschickst, solltest du deine Schilderung vom Geschehen möglichst kurz halten. Du kannst auch nur schreiben, dass das nicht so passiert ist, wie es im Akt steht. Später hast du die Möglichkeit deine Ansicht vor dem Gericht näher darzulegen, dieses entscheidet ja auch. Falls du Beweise hast (Videos, Fotos, Zeug*innen) kannst du diese zur mündlichen Verhandlung  mitnehmen. Auf dem Bildmaterial sollte nichts zu sehen sein, was dich oder andere Personen belastet. Gesichter solltest du verpixeln. Zeug*innen solltest du vorher fragen, ob sie vor Gericht erscheinen wollen. Auf keinen Fall solltest du irgendwelche Daten (z.B. Name) von Personen ohne deren Einverständnis an die Behörden geben. Meist ist es ausreichend zu erwähnen, dass du Zeug*innen hast, diese aber erst zur mündlichen Verhandlung benennst und mitnimmst.

2.) Rechtliche Begründung: d.h. du erklärst, dass du zwar getan hast, was dir vorgeworfen wird, aber die Handlung nicht strafbar war. 

Bsp.: Falls du dich auf einer Versammlung befunden hast und die Polizei dir Ruhestörung vorwirft, kannst du dich darauf berufen, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit über den Lärmschutzbestimmungen steht. Da die Polizei häufig Versammlungen nicht als solche qualifiziert, kannst du in einem solchen Fall ihre falsche rechtliche Einschätzung als Beschwerdegrund nennen.

→  Falls du in deiner Beschwerde ein formales Kriterium nicht eingehalten hast, kannst du vor dem Verwaltungsgericht einen „Auftrag zur Behebung des Mangels“ mit einer neuen Frist bekommen. Jedenfalls sollte klar werden, dass es sich um eine Beschwerde handelt und gegen welches Straferkenntnis diese sich richtet. Ist dies nicht der Fall kann es sein, dass dein Schreiben nicht als Beschwerde gilt und du dadurch die Frist versäumst.

Zusätzlich hast du das Recht auf eine mündliche Verhandlung („Sollte meiner Beschwerde nicht vollinhaltlich stattgegeben werden, beantrage ich eine mündliche Verhandlung“). Außerdem hast du die Möglichkeit eine*n Verfahrenshilfeverteidiger*in zu beantragen.

Wichtig ist, dass du vor dem Verwaltungsgericht (VwG) als „Beschwerdeführer*in“ auftrittst und nicht als „Angeklagte*r“. Du erhebst eine Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde und streitest am VwG darum, ob deiner Beschwerde stattgegeben wird.

Die Kosten dafür musst du nicht tragen, wenn dein Einkommen gering ist. Ein*e Verfahrenshilfeverteidiger*in wird jedoch meistens nur bei strittigen Rechtsfragen genehmigt oder evtl. bei Personen, die die Amtssprache nicht ausreichend beherrschen. In jedem Fall verzögert sich dadurch die Beschwerdefrist bis zur Entscheidung über die Verfahrenshilfe – ab da beginnen die vier Wochen dann neu zu laufen – und du kannst dadurch Zeit schinden. Außerdem kannst du dir eine konkrete Person als Verteidiger*in wünschen, dem ist vom Verwaltungsgericht „nach Möglichkeit zu entsprechen“.

Wenn deiner Beschwerde nicht zugestimmt wird, wirst du eine Ladung vom Verwaltungsgericht bekommen. 

Die Verhandlung wird entweder aufgrund der Aktenlage oder mündlich geführt.  

Die Verhandlung kann auch ohne deine Anwesenheit stattfinden oder du schickst eine Person hin, die dich vertritt. Die Vertretung muss keine Anwält*in sein, sie braucht lediglich eine schriftliche Bevollmächtigung von dir. Bist du bei der Verhandlung anwesend, kannst du die Bevollmächtigung auch mündlich erteilen.

Die Verhandlung findet im Landesverwaltungsgericht statt. Vor Ort musst du deine Identität bestätigen (Ausweis mitnehmen). Die Verhandlung findet entweder in einem gerichtssaalähnlichen Raum oder in einem kleinen Büro statt. Da die Verhandlung öffentlich ist kannst du solidarisches Publikum mitbringen.

Die*der Richter*in eröffnet die Verhandlung und befragt dich zum Sachverhalt. Du hast als beschuldigte Person das Recht die Aussage ganz oder teilweise zu verweigern! Es gibt auch keine Sanktionen, wenn du als Beschuldigte*r nicht die Wahrheit sagst. Danach werden die Zeug*innen  nacheinander aufgerufen und befragt. Zeug*innen haben nur das Recht auf Aussageverweigerung wenn sie sich selbst oder Angehörigen schaden würden bzw. der Verschwiegenheit verpflichtet sind. Sowohl du als auch die „belangte Behörde“ (z.B. Polizei) können Beweisanträge stellen. Es ist besser vorher Bescheid zu geben, wenn man Bildmaterial mitnimmt, damit die Verhandlung nicht wegen fehlendem Equipment vertagt werden muss. Nach der Verhandlung entscheidet die*der Richter*in entweder sofort oder sie*er schickt dir das „Erkenntnis“ in den nächsten Wochen zu. Bevor du gehst, wird dir das mitgetippte Protokoll vorgelegt. Lies es aufmerksam durch und reklamiere, wenn etwas nicht stimmt oder fehlt. Du musst nicht unterschreiben.

Zur Vorbereitung auf eine Verhandlung solltest du deinen Ausweis mitnehmen, die Akten gut lesen, Strategie, Argumentation und Fragen an Zeug*innen überlegen, Beweise bereitstellen und das ganze in einer Art Rollenspiel vorab durchgehen.

Außerdem kannst du jederzeit Antirepressions-Gruppen um Unterstützung bitten!