Grundsätze und Vergabekriterien

Hier findet ihr einen Auszug aus unseren Grundsätzen bzw. den Vergabekriterien. Sollte deine Frage nicht beantwortet sein und/oder du möchtest mehr erfahren, mit uns über Aussageverweigerung, politische Prozessführung etc. diskutieren, dann schreib uns am besten eine E-Mail oder komm in unsere Beratung.


Wobei und wie unterstützen wir?

  • In einem strafrechtlichen Verfahren unterstützen wir dich durch Beratung, Öffentlichkeitsarbeit und bei Bedarf auch finanziell.
  • Im Verwaltungsstrafrecht geben wir einen Überblick über das Verfahren und ersetzen das mit einem Rechtsmittel verbundene Kostenrisiko.
  • Bei zivilrechtlichen Prozessen (zB Schadenersatz) können wir keine Beratung und Unterstützung anbieten.

Wen unterstützen wir?

Wir unterstützen Mitglieder, die ihren politischen Lebensmittelpunkt in Wien haben und aufgrund ihrer politischen Betätigung Nachteile erleiden und von staatlicher Repression betroffen sind. In welchem Bundesland die Strafe ausgestellt, das Verfahren eingeleitet wird, ist egal. Es zählen die Mitgliedschaft und Wien als politischer Lebensmittelpunkt. Wenn du noch kein Mitglied bist, melde dich trotzdem bei uns, wir finden dann sicher eine Lösung.

Beratung

Sobald die ersten Briefe hereinflattern, komm bitte in unsere Beratung oder kontaktiere uns, wenn es schnell gehen muss, per Mail! Ein Gespräch mit uns und die Antragstellung sind Grundlage für die finanzielle Unterstützung. Wenn du dir unsicher bist ob du in deinem Fall finanzielle Unterstützung von der Roten Hilfe Wien erwarten kannst, dann komm unbedingt zu uns in die Beratung und wir tauschen uns darüber aus. Die Rote Hilfe Wien ist eine Solidaritätsorganisation. Der erste Zugang ist immer ein solidarischer. Politische Solidarität und Unterstützung gibt es immer, unabhängig davon, ob in einem konkreten Fall finanzielle Unterstützung möglich ist oder nicht.

Genaueres zum Ablauf kannst du auf der Seite Finanzielle Unterstützung nachlesen.

Aussagen vor Polizei, Staatsanwält*innenschaft

Aussageverweigerung ist für uns ein wichtiger Grundsatz politischer Prozessführung und einer solidarischen linken und anarchistischen Praxis, die auch aus einem juristischen Blickwinkel sinnvoll ist. Uns ist es wichtig mehr Bewusstsein für die negativen Auswirkungen von Aussagen auf politische Strukturen und Einzelpersonen zu schaffen. Daran passen wir auch die Geldvergabe an: Bei Äußerungen vor Polizei oder Staatsanwält*innenschaft kommt es zur Kürzung oder Streichung der finanziellen Unterstützung.

Warum die Aussageverweigerung für unsere politische Praxis wichtig ist und mit welchen Tricks die Behörden versuchen dir eine Aussage abzuringen, haben wir hier und unsere Genoss*innen vom Rechtsinfokollektiv hier und hier aufgeschrieben.

Gleichzeitig ist uns bewusst, dass eine Aussageverweigerung in der Praxis negative Folgen für andere laufende, insbesondere aufenthaltsrechtliche Verfahren, haben kann. Mensch muss sich eine Aussageverweigerung „leisten“ können. Für Menschen in prekären Situationen ist eine Aussageverweigerung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Daher verweisen wir explizit auf das Prinzip der Einzelfallprüfung. Bitte kommt in die Beratung oder schreibt uns an. Selbiges gilt für die politische Prozessführung.

Politische Prozessführung

Eine weitere Voraussetzung für die Unterstützung ist eine politische Prozessführung. Das bedeutet vor allem, dass Personen sich nicht von ihren Aktionen distanzieren oder sich reumütig zeigen. Außerdem soll die Aussageverweigerung auch vor Gericht fortgesetzt werden, sodass weder Angeklagte noch andere belastet werden. Dazu zählt auch, nicht einfach irgendwen als Zeug*in zu laden.

Kürzungsgründe

Zusätzlich zur politischen Prozessführung und Aussageverweigerung, die für eine Unterstützung unerlässlich sind, gibt es Gründe, aus denen die finanzielle Unterstützung gekürzt oder gestrichen werden kann. Diese Gründe sind z.B. Konsum von Drogen oder Alkohol vor oder bei geplanten Protesten, sowie ein unachtsamer Umgang mit dem Handy/Smartphone. Vor einer Kürzung oder Streichung gibt es immer eine ausführliche Einzelfallprüfung.

Drogen/Alkohol

Finanziell unterstützen wir keine Personen, die bei geplanten Protesten unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol stehen. Dass die Polizei in eine Demo eingreift, ist schnell einmal passiert. Gebrauch von Drogen verändern unsere Reaktionszeit und unsere Risikobereitschaft, sodass wir uns und andere gefährden. Dieses Risiko lässt sich durch den Verzicht auf Alkohol und Drogen bei Demos und geplanten Aktionen verringern. Das heißt nicht, dass alle Personen mit dem Trinken oder Drogennehmen aufhören müssen, um finanzielle Unterstützung zu erhalten. Wenn die Polizei eine Party stürmt, wir am Heimweg von Neonazis angegriffen werden oder bei einer rassistischen Polizeikontrolle eingreifen, kann es natürlich Unterstützung durch die Rote Hilfe Wien geben, auch wenn Alkohol und Drogen im Spiel waren. Das wird dann im Einzelfall geprüft. Wichtig ist allerdings auch hier, dass Genoss*innen und Unbeteiligte nicht gefährdet werden. Drogen oder Alkohol in Situationen zu konsumieren, wo das eigene Handeln auch andere betrifft, ist nicht nur eine individuelle Entscheidung.

Handy/Smartphone

Handys bzw. Smartphones sind ein zweischneidiges Schwert. Sie erleichtern die Kommunikation mit anderen und bieten gleichzeitig großes Potential, jeden unserer Schritte nachverfolgen zu können. Zusätzlich sind auf Smartphones in der Regel eine große Menge persönlicher Daten gespeichert, die eine wahre Goldgrube an Informationen für Ermittlungsbehörden sein können. Deshalb ist die beste Lösung, Handys und Smartphones bei Demos und Aktionen zuhause zu lassen. Wenn die Kommunikation mit Genoss*innen per Telefon unerlässlich ist, gibt es die Möglichkeit, sich extra Handys mit neuen SIM-Karten zuzulegen, die ausschließlich für Demos und Aktionen verwendet werden und auf denen sich keine privaten Daten befinden. Doch auch solche Handys lassen sich orten. Davor geschützt seid ihr nur, wenn die Handys ausgeschaltet und Akku und SIM entfernt sind.
Gleichzeitig müssen wir feststellen, dass die meisten Menschen heutzutage ihr persönliches Smartphone immer bei sich tragen und dementsprechend auch mit zu Demonstrationen nehmen. Das finden wir äußerst fahrlässig. Deshalb kann es zu einer Kürzung der Unterstützung im Repressionsfall kommen, wenn das private Smartphone bei einer Festnahme dabei war. Wer sich trotz des großen Risikos dazu entscheidet, ein persönliches Smartphone mitzunehmen, sollte zumindest möglichst umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen treffen, das Smartphone verschlüsseln und mit einem sicheren Passwort sperren.

Soligruppen und Öffentlichkeitsarbeit

Antirepressionsarbeit und politische Rechtsberatung sind keine Dienstleistungen. Wir wollen mit unserem Projekt linke und anarchistische Aktivist*innen nicht nur finanziell sondern auch politisch unterstützen und einen gemeinsamen Umgang mit Repression erreichen. Eine Aktion und staatliche Repression als Antwort darauf müssen diskutiert und öffentlich gemacht werden. Daher finden wir Unterstützung und Öffentlichkeitsarbeit von Soligruppen oder Einzelpersonen in jedem Verfahren wichtig. Wir möchten keine Soligruppen ersetzen sondern ergänzend arbeiten und werden uns deshalb immer um eine gute Zusammenarbeit bemühen.

Stand: Jänner 2021