Politische Prozessführung

Eines der wichtigsten Ziele der Roten Hilfe Wien im Kampf gegen staatliche Repression ist es, Angeklagten eine politischen Prozessführung zu ermöglichen.

Doch was bedeutet politische Prozessführung?
Es bedeutet, dass wir vor Gericht zu unseren eigenen politischen Aktionen und Standpunkten stehen und keinen Abstand von ihnen nehmen müssen. Es ist wichtig, dass wir uns bei unseren Aktionen nicht vom Gesetz auf die Wertungen „legal“ und „illegal“ beschränken lassen.

Justiz und Gesetz werden in der öffentlichen Meinung oft als unpolitisch und neutral gesehen. Doch auch Gesetze werden von Menschen beschlossen. Deshalb spielen auch politische Umstände bei ihrer Entstehung eine Rolle. Wir sind sogar der Meinung, dass Gesetz und Justiz ganz eindeutig politisch sind. Gesetze sichern in ihrer Funktion die aktuellen politischen Verhältnisse ab. Sie sorgen z.B. dafür, dass das Gewaltmonopol des Staates und die Ordnung von Eigentum bestehen bleiben. Deshalb haben Menschen, die diese Verhältnisse infrage stellen, oft mit schweren Strafen zu rechnen.

Die Zusammenarbeit mit den Ermittlungsorganen wie Polizei, Staatsanwält*innenschaft und Gericht zu verweigern und vom Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch zu machen, ist Kern der politischen Prozessführung.
Das Gericht drängt auf Reue und Aussage. Dem müssen wir nicht Folge leisten. Statt uns zur Tat zu äußern, können wir etwa die politischen Verhältnisse vor Gericht ansprechen. Statt uns reumütig zu zeigen, können wir so den politischen Charakter der Aktion betonen. Unsere Argumente sind wichtig.
Dadurch stellen wir die Legitimität des Gerichtsverfahrens offen infrage und schützen durch Aussageverweigerung unsere Strukturen und Verbündeten. Wir finden es ausgesprochen wichtig, den politischem Charakter der Justiz immer wieder zu thematisieren.  Außerdem erleichtert die politische Prozessführung die Öffentlichkeitsarbeit zum Verfahren und die Skandalisierung der politischen Verhältnisse.

Die Rote Hilfe Wien will das Risiko für Angeklagte solidarisch auf möglichst viele Schultern verteilen. Durch die finanzielle Unterstützung werden z.B. die Folgen einer hohen Geldstrafe gemindert. Kein*e Verbündete*r soll sich allein mit der Justiz herumschlagen müssen.
Zusätzlich ist es einfach ein gutes Gefühl, wenn wir uns vor Gericht nicht von Aktionen distanzieren müssen, die wir richtig und wichtig finden.

Unsere Solidarität gibt uns Kraft zum Weiterkämpfen.

Stand: September 2018